Rund um Taiwan mit unserer Tochter



Wir haben es nie wirklich auf dieser Webseite erwähnt, nur in unseren Sozialen Medien, aber ja, wir haben seit 2021 eine wunderschöne Tochter. Ich bin seit einer ganzen Weile auch wieder Vollzeit am arbeiten und so haben wir nur Zeit für kürzere Fahrradreisen von mehreren Wochen. Schon vor der Geburt unserer Tochter haben wir uns einen Fahrradanhänger für unsere Tochter geleistet und sind mit diesem auf Tour gegangen.

Im März 2022 haben wir den Rhein-Radweg von Koblenz nach Karlsruhe in Angriff genommen und schließlich im Juni 2022 auf einer Tour durch die Alpen diese zweimal überquert. Vor allem die letztere Tour war sehr anstrengend, da wir mit Campingausrüstung und ohne E-Bike unterwegs waren.

Yuily hatte nach fast drei Jahren im Ausland großes Heimweh nach Taiwan. Das Land hatte die COVID-19 Pandemie sehr gut unter Kontrolle und fast keine Infektionen. Dies hieß jedoch auch, dass Einreisen streng kontrolliert wurden und eine zwingende Quarantäne nach Einreise gemacht werden musste. Eine Heimreise nach Taiwan war damit schwierig bis unmöglich. Jedoch hat sich die hochansteckende Omikron-Variante auch durch diese Maßnahmen gemogelt und sich im Land unkontrolliert verbreitet. Dies hieß für uns, dass die Maßnahmen bald fallen würden und so war es auch im Oktober 2022. Wir konnten endlich wieder nach Taiwan!

Wir wussten schon, dass wir wieder eine Fahrradreise in Taiwan machen möchten. Wir wollten nicht unsere Räder und Anhänger aus Deutschland mitnehmen, das wäre zu umständlich. Stattdessen könnten wir Fahrräder mieten. Einen Anhänger zu mieten wäre auch möglich gewesen, allerdings erinnerte ich mich an die Strapazen von unserer Alpentour. Die Alternative wäre ein Kindersitz. Wir machten unsere Recherchen.

Wenn man Fahrräder für eine Taiwan-Rundreise mieten möchte, findet man oft schnell den Service von Giant. Man kann ein Rad inklusive Packtaschen an einem beliebigen Laden ausleihen und an einem anderen zurückgeben, daher war unser erster Gedanke Giant zu kontaktieren. Nach einem Anruf ist diese Option allerdings schnell versandet, da Giant weder Kindersitze noch Anhänger anbietet und eine Vermietung an Familien nicht vorgesehen ist.

Nach weiterer Recherche bin ich somit auf den Service von MathewBike in Taipei gestoßen. Sie bieten eine umfangreiche Auswahl an Fahrrädern und Kindersitzen an und kümmern sich vorab um die richtige Größe. Die Räder im Sortiment sind richtige Tourenräder von Taiwanischen Herstellern und werden bis ins Detail gewartet. Wir haben somit den richtigen Verleih-Partner gefunden.

Schon in den ersten Kilometern hat sich gezeigt, dass ein Kindersitz gegenüber einem Anhänger die richtige Entscheidung war. Unsere Tochter war sofort glücklich wie ein Honigkuchenpferd, natürlich konnte sie aus der höheren Position viel mehr sehen und war auch näher an uns als im Anhänger. Aber auch die Infrastruktur hätte für einen Anhänger Probleme bereitet: So sind viele Radwege durch Metallbarrieren abgezäunt, um Motorradfahrer von der Benutzung abzuhalten, über die man einen Anhänger heben müsste.

Wir wussten auch, dass wir einige Male Züge nehmen müssen. Ich wusste schon aus unseren Anhänger-Touren, dass dies eine Tortur ist. Ich musste jedes mal beide Fahrräder am Bahnhof hantieren und in Aufzüge klemmen, während Yuily den Anhänger schob. Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, wie viel einfacher das mit Kindersitz war. Genauso, wie viel einfacher Steigungen zu bewältigen waren.

Ein großer Nachteil des Kindersitzes war jedoch Regen. Kann man einen Anhänger noch mit Planen wasserdicht machen, konnten wir mit dem Kindersitz praktisch gar nicht im Regen fahren. Das hat dann schon die Routenplanung für uns übernommen: Im Osten Taiwans war wie immer viel Regen vorhergesagt, also ging unsere Tour von Taipei aus zunächst westwärts, wo die großen Berge der Insel den vom Pazifik kommenden Regen abschirmen.

Routenplanung war mir mit unserer Tochter auch deutlich wichtiger als alleine. Dies war auch auf unseren vorigen Touren in Europa mit ihr so, und ich habe mich orientiert, möglichst auf ausgeschriebenen Fahrradrouten zu bleiben. In Taiwan gibt es auch eine nationale Fahrradroute, diese war jedoch absolut nicht, was wir brauchten. In Europa knüpft eine Fahrradroute möglichst kleine, landschaftlich schöne und verkehrsarme Straßen und Radwege zusammen. Die “Taiwan Cycling Route No. 1” und die meisten ihrer Ableger 1-2, 1-3, 1-15 usw. führen außerhalb von Taipei fast ausschließlich auf großen, vierspurigen Nationalstraßen. Diese haben zwar eine gesonderte Spur für Motorroller und Fahrräder, sind allerdings alles andere als schön.

Ich habe mich schon oft gefragt, warum dies so ist, und der Besitzer eines Fahrradladens hat mir die Antwort gegeben: Wenn Taiwaner eine Radtour um die Insel machen, wollen sie dies möglichst schnell schaffen. Eine sich durchs Land schlängelnde Route, die Umwege macht und viele Kreuzungen hat, ist für diesen Typ Radler, mit Rennrad, möglichst wenig Gepäck und aerodynamischer Kleidung unterwegs, nicht zielführend. Für Familien wie uns sind diese Radrouten jedoch nicht nur hässlich, sondern auch gefährlich, da der Verkehr in Taiwan leider nicht zu den umgänglichsten gehört und Motorroller oft viel zu schnell und zu eng an einem vorbeirasen.

Glücklicherweise hat man in Taiwan das Konzept einer Fahrradroute, wie sie in Europa existiert, bei lokalen Radrouten sehr gut verstanden. Die lokalen Radrouten in Taipei, die an den Flüssen der Stadt entlang führen, sind hervorragend ausgebaut und man kommt auf ihnen durch die gesamte 7 Millionen Einwohner Metropole, ohne jemals in Berührung mit motorisiertem Verkehr zu kommen. Aber auch die Landkreise Hsinchu und Miaoli haben an der Küste ein beachtliches Netz an lokalen Radrouten, die meist kleine Straßen vernetzen. In der Stadt Taichung zeigte sich der Unterschied zwischen lokaler und nationaler Radroute besonders krass: Die lokale Route führt an einem sich leicht schlängelnden Fluss auf einer Straße ohne Verkehr, während die nationale Route 500 m westlich davon auf der Nationalstraße 3 zwar gerade verläuft, jedoch mit haarsträubendem Verkehr, jeder Menge Ampeln und lauten Motorrollern.

Selbst wo keine lokalen Fahrradrouten existieren, habe ich oft ohne Probleme unsere eigene erstellen können. In Taiwan ist absolut jede Straße asphaltiert, auch die kleinsten Wirtschaftswege durch die Reisfelder. Es ist jedoch so gut wie unmöglich, eine Routenplaner App dazu zu bekommen, diese zu berücksichtigen – denn diese erkennt einfach, dass die Nationalstraße eine Radspur hat und versucht, einen dort lang zu schicken. Lediglich die App Maps.me hat mir immer wieder eine gute Route über die kleinen Wirtschaftswege gegeben, wenn ich die Route für Fußgänger – nicht für Radfahrer – gesucht habe. Südlich von Taichung, wo das Land größtenteils flach ist, war dies sehr nützlich. So kommt man bis nach Fangliao im Süden – wir haben allerdings bis dahin aus Zeitgründen einen Zug genommen, um mehr vom Süden und Osten zu haben.

Von hier an lassen die Berge, die im äußersten Süden und Osten der Insel bis ans Meer reichen, keine flachen Nebenstraßen zu. Hier gibt es also leider noch einige Sektionen, in denen man zwischen dem vierspurigen Verkehr und der Leitplanke fährt, vor allem der Abschnitt Daren-Zhiben – daher haben wir diesen auch nochmal mit dem Zug übersprungen. Nördlich davon werden Nebenstraßen wieder geläufig, das East Rift Valley ist bis zu der Stadt Hualien dafür flach genug und auch dort gibt es viele schöne lokale Radwege, die allemal der offiziellen Route, die auf der Nationalstraße 9 entlangführt, zu bevorzugen sind.

Leider haben wir es im Osten nur bis Chishang geschafft und mussten von dort einen Zug zurück nach Taipei nehmen, da unsere Zeit am Ende war. Unsere Tochter hat diese Radtour absolut genossen und war alles in allem glücklicher als im Anhänger – lediglich das Schlafen hat natürlich auf dem Kindersitz nicht so gut funktioniert.

Wir hatten diesmal keine Campingausrüstung dabei, haben also immer in bezahlten Unterkünften übernachtet. Wir haben diese immer über die Hotelsuche auf Google Maps gefunden, die meisten konnte man online buchen, für andere hat Yuily kurz angerufen. Preise haben sich zwischen 1200-2500 NTD (ca. 35-70 €) bewegt für ein gemütliches, geräumiges Zimmer und einen sicheren Ort für unsere Fahrräder. Es gibt in den meisten Orten Unterkünfte, aber nicht in allen – wir waren direkt am Anfang unserer Tour überrascht, dass es in Bali, einem Vorort von Taipei an der Küste, keine Unterkünfte gibt!

Im Bezug auf Essen mussten wir uns natürlich nie Sorgen machen. Taiwan hat nach einigen Maßstäben die höchste Dichte an Restaurants der Welt, die meisten von ihnen sind sehr günstig und immer sehr lecker. Leider sind die Menüs meistens nur auf Chinesisch. Für mich war eine Lösung hiervon, ein Foto von dem Menü zu machen und dieses in die Google Übersetzer App hochzuladen. Oft genug konnte ich so zumindest erkennen, was es gibt. Aber selbst wenn man lieber Lebensmittel einkauft, gibt es Minimärkte wie 7-11 überall.

Alles in allem, kann ich eine Fahrradtour in Taiwan mit Baby empfehlen? Ja, wenn man sich mit der Routenplanung beschäftigt und die nationalen Fahrradrouten außerhalb von Taipei meidet. Ein Mietfahrrad mit Kindersitz bekommt man nach meiner Recherche nur bei MathewBike – sie können auch bei der Routenplanung helfen. Wir freuen uns schon auf unsere nächste Tour in Taiwan mit ihnen!

Mehr Fotos von dieser Tour gibt es auf unserer Facebook-Page.



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