Wir haben Tansania lieben gelernt und haben uns sehr auf die weitere Zeit in diesem Land und dem Rest von Afrika gefreut. Aber eine unglückliche Wendung zwang uns dazu, unsere Pläne abrupt zu ändern.
Die Ablehnung
Nachdem wir im niedrigsten Punkt der Ebene die Mtera Staustufe überquert haben ging es langsam und gemächlich wieder aufwärts ins Hochland. Der Anstieg führte durch eine völlig unbesiedelte Landschaft voller Busch und Wildcamping war problemlos möglich – es mag merkwürdig klingen, aber das war das erste mal in Afrika wo wir uns sicher waren dass uns niemand besuchen kommt beim zelten. Schließlich kamen wir wieder in Dörfern auf dem Hochland an und überprüften Yuily’s E-Mails. Eine von ihnen hatte im Betreff „Ihr Visum wurde abgelehnt“.
Wie bitte? Wie kann das denn sein? Wir hatten exakt dieselbe Bewerbung mit denselben Unterlagen. Wir ahnten es schon, wie es sein kann: Der einzige Unterschied in unserer Bewerbung ist natürlich die Nationalität. Es war zum explodieren, eine offensichtlich rassistische Entscheidung – ich habe schon gehört, dass Sambia seit ein paar Monaten Schwierigkeiten mit chinesischem Investment hat. Und auf einem taiwanischen Reisepass glänzt natürlich weiterhin der offizielle Name „Republic of China“. Nicht, dass es ohnehin einen großen Unterschied macht: Wie wir täglich durch die ganzen „China“-Rufe mitbekamen, sind Personen mit ostasiatischem Aussehen ohnehin für die meisten Afrikaner alle Chinesen. Warum sollte das für Immigrationsbehörden anders sein? Das war ein schwerer Schlag. Wir radelten weiter nach Iringa, tief in Gedanken, was wir nun machen können. Konnten wir Widerspruch einlegen? Eine Alternativroute wählen? Uns vorübergehend trennen? Es war ein sehr komisches Gefühl.
In Iringa angekommen beim Couchsurfing Gastgeber Johnny haben wir Nachforschungen angestellt und waren in regem Kontakt mit einer sambischen Beamtin, deren Kontakt wir von einem anderen Radler hatten. Sie arbeitet zwar in der Ausländerbehörde, hat aber mit Touristenvisas wenig am Hut. Es stellte sich heraus, dass kein Widerspruch möglich ist, sie aber von den Auflagen für eine erneute Bewerbung absehen können. Das bedeutete allerdings auch, nochmal zu bezahlen, was wir nicht wollten. Allerdings klangen die Alternativen nicht gut: Um Zambia auf dem Weg nach Namibia zu umfahren, müssten wir durch Malawi, Mosambik, Simbabwe und Botsuana. Vier Visa statt einem, von denen jedes theoretisch auch abgelehnt werden könnte. Zudem wurde die Region gerade von verheerenden Fluten getroffen, die ein weiteres Hindernis darstellen könnten.
Die andere Option war eine vorrübergehende Trennung. Yuily hatte ohnehin schon etwas Reisemüdigkeit und Heimweh (speziell für taiwanisches Essen), und sie sah diese Ablehnung als ein Zeichen, dass es an der Zeit sein könnte, aufzuhören. Ich habe mich bisher nicht so gefühlt und besonders in Tansania machte mir dieser Afrika-Trip Spaß. Yuily sagte relativ schnell, dass sie einverstanden wäre mit einer vorrübergehenden Trennung, während ich weiter durch Afrika radle. Ich habe auch am Anfang über diese Option nachgedacht, wir haben uns schließlich schon einmal wegen Visaschwierigkeiten getrennt, in China bzw. Kasachstan. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger konnte ich mich damit anfreunden. Diese Trennung wäre bis zu 6 Monate lang, eventuell sogar länger. Wir haben diese Reise zusammen angefangen, also beenden wir sie auch zusammen.
Nach anfänglichen emotionalen Diskussionen schliefen wir erst einmal die Nacht über diese Entscheidung. Für mich bahnte sich der einzige Ausweg an: Eine zweite Bewerbung. Yuily kam nach der Nacht zu demselben Schluss. Was wir beide immer noch am meisten wollten, ist diese Reise fortzusetzen, und diese Fortsetzung führte durch Sambia. Wir mögen keine Lotterien und eine zweite Bewerbung schien nach dieser erniedrigenden Ablehnung auch noch eine Rechtfertigung für dieses Verhalten der sambischen Behörden zu sein. Meine Mutter brachte es auf den Punkt: Es ist, als wenn ein Hotelbesitzer sagt „Sie können bleiben, aber Ihre Frau nicht. Wir mögen keine Asiaten“. Das einzig richtige wäre es, so einem Betrieb den Rücken zu kehren. Aber mich zermürbte dieser Gedanke, dass die Reise jetzt auf einmal vorbei sein sollte. Ich war der Meinung, wir sollten diese zweite Bewerbung versuchen, denn nur bei einer erneuten Ablehnung könnte ich reinen Gewissens nach Hause fliegen.
Also sendeten wir eine zweite Bewerbung mit noch viel mehr unterstützenden Unterlagen ab und bezahlten sie. Wir verabschiedeten uns auch von unserem Gastgeber Johnny und nahmen uns ein Gästehaus in der Stadt – er war ein toller Gastgeber, aber wir wollten ihn nicht mit unserer Verzweiflung belasten. So begann in Iringa ein Wartespiel auf die Antwort, denn bei einer erneuten Ablehnung müssten wir in die andere Richtung zum Flughafen Dar es Salaam fahren.
Es dauerte eine Weile, wir mussten nahezu eine Woche in Iringa abwarten um eine Antwort auf die zweite Bewerbung zu bekommen. Obwohl das Gästehaus super und günstig war, es jede Menge Einkaufsmöglichkeiten gab und wir normalerweise eine solche Zeit genießen, war jeder Tag zermürbend. Wir überprüften Yuily’s E-Mails mehrmals täglich nach einer Antwort. Natürlich hofften wir auf eine positive Rückmeldung, aber mit den Tagen dachte ich sogar, dass mir eine negative Antwort auch recht wäre, da wir dann wenigstens wissen, was zu tun ist. Schließlich kam nach sechs Tagen eine E-Mail an: „Ihr Visum wurde … abgelehnt“.
Was für eine Scheiße. Es war nun klar: Sambia wollte Yuily aus rassistischen Gründen nicht einreisen lassen und es wird unmöglich sein in dieses Land zu fahren. Wir fluchten und zeterten für eine Weile, aber ich fühlte auch etwas Erleichterung: Wenigstens ist das zermürbende Warten jetzt vorbei und wir wissen was zu tun ist. Wir hatten die Tage schon nach Flügen gesucht und fanden eine Reihe bezahlbarer Flüge von Dar es Salaam nach Europa. Die Preise waren sehr stabil, also buchten wir noch nichts und machten uns erst auf den Weg. Nach Iringa dann nach links, nach Dar es Salaam, statt nach rechts, nach Mbeya und Zambia, abzubiegen war dann doch sehr schmerzlich und unsere Wut auf die Sambischen Behörden kochte wieder hoch.
Gute letzte Erfahrungen
Schnell sahen wir aber auch die positive Seite dieser erzwungenen Entscheidung, denn die Landschaft auf dieser Strecke war sehr sehr schön. Wir erreichten schon am ersten Tag den Grabenbruch, an dem es von 1700 auf 500 Höhenmeter bergab ging. Die Straße hing für mehrere Kilometer an einer von Regenwald bewachsenen Steilwand, ging in einen Graben und folgte einem Flusslauf, während sich links und rechts von uns weitere Berge auftürmten. Nachdem wir das Hochland verließen haben wir eigentlich eine brutale Hitze erwartet, aber sie blieb uns fern, da wir mehrere dicht bewölkte Tage hatten.
Eine Touristenattraktion die sonst zu weit entfernt wäre, bekamen wir so auch auf den Weg: Den Mikumi Nationalpark. Wie auch in den Parks Tsavo in Kenia und Queen Elizabeth in Uganda führte die Hauptstraße mitten durch den Park und solange man von dieser nicht abbiegt, muss man die horrenden Eintrittsgebühren auch nicht zahlen. So sahen wir nochmals mehrere Antilopen und Giraffen. Ein schönes Abschiedsgeschenk von Afrika.
In der Stadt Morogoro angekommen, buchten wir auch unseren Flug. Wir entschieden uns, statt sofort nach Deutschland, nach Madrid in Spanien zu fliegen. Die Tickets dorthin waren die günstigsten, und so hatten wir auch noch ein kleines, letztes Abenteuer vor uns, in dem wir von Spanien durch Frankreich und die Schweiz nach Hause radeln würden. Dies wird auch ein schöner Abschluss sein, da wir ohnehin zuerst geplant hatten von Madrid nach Afrika zu fliegen, bevor wir den günstigen Brüssel-Mombasa Flug gefunden hatten. 350 € kostete uns der Spaß nun mit umsteigen in Katar. Dank des großzügigen Freigepäcks von Qatar Airways (45 kg ohne Größen- oder Stückzahlbegrenzung) war auch die Beförderung der Fahrräder kostenlos.
Aus Morogoro raus nahm ich eine Abkürzung, die im Schlamm endete, durch den wir unsere Räder zerren mussten um zur asphaltierten Straße zurück zu gelangen. Schlamm in Ostafrika ist absolut widerlich. Er klebt an allem, ist aber glitschig und weich. Er blieb an unseren Ketten und Bremsen hängen und wenn er sich verhärtete, mussten wir ihn regelrecht wegmeißeln. Viele Straßen in Afrika werden in der Regenzeit unpassierbar wegen diesem Schlamm, der sich aus den lehmhaltigen Böden formt. Wir wollten vor Dar es Salaam einen kleinen Abstecher in die Küstenstadt Bagamoyo machen – dank dieser Erfahrung nun war es leicht zu entscheiden, die längere, aber asphaltierte Straße dorthin zu nehmen.
Bagamoyo war eine schöne, letzte Attraktion für uns. Ein freundlicher älterer Herr nahe Iringa hatte uns auf diese Stadt aufmerksam gemacht und sie war den Umweg allemal wert. Deutsche Kolonialisten hatten dieses Fischerstädchen als erste Basis benutzt, um den Rest von Tansania zu unterwerfen. Viele Gebäude, die aktuell in verschiedenen Verfallsstadien sind, zeugen von der ehemaligen deutschen Besiedlung, so wie die engen, gepflasterten Straßen. Ein schönes Stück Geschichte. Lernen wir in Deutschland doch oft von den negativen Auswirkungen der Kolonialabenteuer des Reichs, so haben viele Tansanier doch ein positiveres Bild. „Wir haben bei unserem Schulsystem viel von euch abgeguckt (das Swahili Wort für Schule ist ‚Shule‘), und guck dir die Eisenbahnen an: Vor 120 Jahren gebaut und sie funktionieren immer noch!“, sagte mir einst ein Tansanier.
Bye bye, Afrika
Schließlich rollten wir die letzten Kilometer nach Dar es Salaam. Wie so oft in Ländern mit großen Unterschieden zwischen arm und reich, war diese Stadt eine andere Welt verglichen mit dem Rest des Landes. Glitzernde Wolkenkratzer, Männer in gepflegten Anzügen und Luxusautos auf der Straße. Wir haben uns so etwas schon gedacht, als wir die Armut in Tansania sahen, sie aber mit dem mäßig-stabilen Bruttoinlandsprodukt des Landes nicht in Einklang bringen konnten. Ich hoffe, es findet etwas mehr Wohlstandsverteilung statt in der Zukunft. Wir machten uns auf den Weg zu unser Gastgeberin Elaine, eine Irländerin, die seit über 10 Jahren in Tansania lebt, und zwar nicht in einem abgeschirmten Ausländerviertel, sondern in einem selbst gebauten Haus in einer einheimischen Vorstadt. Zwei schweizer Radler waren bereits dort und eine deutsche Radlerin kam am Abend auch zu Besuch und wir hatten eine tolle Zeit.
Vier Tage hatten wir nun Zeit, um uns auf den Flug vorzubereiten. So traumhaft es auch bei Elaine war, das schwüle Klima machte uns zu schaffen. Unsere Haut klebte regelrecht von all dem Schweiß und die unzähligen Moskitos stachen uns unaufhörlich. Zusätzlich erschienen Bettwanzenbisse auf unserer Haut, die wohl von unserem Gästehaus in Bagamoyo stammten. Wir machten uns auf die Suche nach Packmaterial. Fahrradboxen waren unmöglich zu finden, aber nach einigen Hinweisen fanden wir eine Straßenecke in der Stadt, in der alte Kartons verkauft wurden. Zwei Kartons einer großen Klimaanlage waren nach ein paar Änderungen passend für unsere Räder und ca. 5,50 € wechselten zufriedene Hände.
Die Zeit kam schließlich und wir radelten zum Flughafen, packten unsere Räder vor dem Terminal und checkten ein. Ich fluchte immer noch über die Sambischen Behörden, aber so war unsere Afrika Tour nun zu Ende. Der klimatisierte Flug fühlte sich toll an gegenüber der schwülen Hitze, der wir zuletzt ausgeliefert waren, aber wir waren traurig, den Kontinent zu verlassen. Safari Njema!
Abschließende Eindrücke von Tansania und Ostfrika
Tansania war ein tolles Land das uns sehr gefallen hat. Ähnlich wie in Kenia waren die Menschen sehr gastfreundlich und das Radeln sehr angenehm. Wir wurden kaum angebettelt oder belästigt, was auch mit der Sprachbarriere zu tun haben könnte. Englisch ist eine Fremdsprache für die meisten Tansanier und Kommunikation war ähnlich schwierig, wie in anderen Ländern in denen wir die Sprache nicht kennen, wie Frankreich oder Iran. Trotzdem waren viele Menschen sehr hilfsbereit und jemand der Englisch konnte wurde in vielen Situationen schnell aufgetrieben. Unterkunft und Essen war immer einfach und günstig zu finden, und während wir das Essen nicht vermissen werden (Reis mit Bohnen war oft die einzige Mahlzeit), war das Preis-Leistungs Verhältnis für Unterkunft unschlagbar gut. In allen außer den kleinsten Orten gab es mindestens ein Gästehaus, sauber und angenehm, für oft unter 4 € pro Zimmer. Mit steigendem Preis stieg der Komfort und Unterkünfte in der 10-20 € Kategorie waren oft richtig luxuriös.
Von den vier Ländern, die wir besucht haben, waren Kenia und Tansania meine klaren Favoriten. In beiden Ländern waren die Menschen sehr großzügig und gastfreundlich, das radeln im Allgemeinen angenehm und die Landschaft toll. Die Infrastruktur war simpel, aber überall ausreichend vorhanden, so dass wir uns nie um Essen, Wasser oder Unterkunft sorgen mussten. Kenia vor allem hatte unglaublich variierte Landschaften und die Leute sprachen sehr gutes Englisch. Uganda und Ruanda waren herausfordernder, da einige Menschen hier viel bettelten und sich respektlos verhielten. Trotzdem haben wir auch in diesen Ländern überwiegend positive Erfahrungen gemacht.
Es ist erstaunlich, wie wenig wir in Europa oder Asien über Afrika wissen. Nachrichten über Afrika drehen sich meist nur um Hunger, Armut und Krieg. Zwar besuchen jede Menge Touristen Ostafrika, die Meisten von ihnen werden jedoch direkt vom Flughafen zu Safari-Lodges chauffiert und kommen nie mit den Menschen in Kontakt. So wissen wir sehr wenig über die Lebensweise der Menschen in diesen Ländern. Dieses Unwissen führt auch dazu, dass Projekte von Hilfsorganisationen oft kontraproduktiv sind und die Armut nur noch vergrößern. Ich kann eine Radreise hier uneingeschränkt empfehlen. In keinem anderen Teil der Welt habe ich mich so fremd gefühlt und so viel jeden Tag dazugelernt. Die Herausforderungen und Schwierigkeiten die eine Radtour hier mit sich bringt sind es wert, für die unglaubliche Erfahrung, die man hier macht. Wie bei Reisen in anderen Teilen der Welt gilt jedoch auch hier: 99,99% der Menschen sind gutherzig und man lernt sie am besten von einem Fahrradsattel aus kennen.
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