Unser Unbegrenzter Radfahrtraum: Nordwärts Teil 3



Nach einer fantastischen Zeit in Norwegen war es soweit wieder nach Süden zu fahren, und eine Änderung der Pläne brachte uns nach Finnland statt nach Schweden.

Finnische Grenzregionen

Erstaunlicherweise gab es einen Gastgeber in der abgelegenen finnischen Grenzstadt Kilpisjärvi, wo wir blieben. Elina und Gareth mussten zufällig am nächsten Tag mit ihrem Van 200 km südlich fahren und boten an, uns mitzunehmen. Wir wussten, dass wir sowieso große Teile von Finnland trampen müssten, um es zur Hochzeit meines Bruders zu schaffen, also war das großartig. Elina empfahl uns auch, auf der schwedischen Seite des Flusses Muonio, der die Grenze bildet, nach Süden zu radeln, bis wir die Ostsee erreichen.

Und so verließen wir Finnland nur einen Tag, nachdem wir eingereist sind, aber hielten es die meiste Zeit in Sicht. Landschaft und Menschen waren trotzdem gleich, denn in dieser Region Schwedens lebt eine finnische Minderheit. Auf den ersten 200 km war sowieso nicht viel zu sehen, da wir uns meistens in einem wilden Wald befanden. Es war sehr inspirierend für mich, da ich die Weite des Waldes bewunderte und wir ein paar Rentiere gesichtet haben. Diese sehr schönen Tiere waren überhaupt nicht schüchtern und sahen uns nur neugierig an.

Es wurde allerdings langweiliger als wir langsam den Polarkreis verließen. Die Bevölkerung wuchs und mit ihr der Anbau des Landes, so dass das eine attraktive Ding in dieser Region, der durchgehende Wald, weg war. Dennoch, als wir Tornio erreichten, waren wir unglaublich glücklich, einen vertrauten Supermarkt zu sehen: Lidl! Es gibt keine davon in Norwegen, aber hier in Finnland konnten wir uns die meisten Lebensmittel wieder leisten und kauften eine Stunde lang fröhlich ein. In den bevölkerungsreicheren Teilen wurde jedoch offensichtlich, dass Finnland eine fantastische Fahrradinfrastruktur zu haben scheint. Viele Straßen in den Städten haben eigens dafür gebaute Radwege und viele Kreuzungen nutzten Unterführungen, so dass wir nie viel mit dem Verkehr interagieren mussten.

Ich muss die Temperaturen hier erwähnen. Europa hatte im Sommer eine Hitzewelle erlebt, und selbst der hohe Norden wurde nicht verschont. Seit dem Verlassen des Polarkreises waren Tageshöchsttemperaturen häufig über 30°C und aufgrund der kurzen Nächte lag die Nachttemperatur ziemlich konstant über 20°C. Wir schwitzten Eimerweise und mussten das Außenzelt an vielen Abenden weglassen, während wir halb nackt auf den Matten lagen, um uns abzukühlen. Verrückt, das ist nicht das, was ich mir von Nordfinnland vorgestellt habe.

Nach dem Radfahren durch Kemi erreichten wir einen guten Platz, um weiter zu trampen. Ein gelber Lieferwagen hielt schließlich an und zwei Jungs waren damit einverstanden, uns nach Oulu zu bringen. Sie waren Afghanen und sehr beeindruckt von den wenigen Farsi-Worten, an die ich mich erinnerte, da sie die meiste Zeit ihrer Jugend im Iran verbracht haben. Sie kamen vor einiger Zeit als Flüchtlinge nach Schweden und Finnland und arbeiteten nun daran, Brot zwischen Haparanda und Oulu zu liefern, und waren nur zwei Monate davon entfernt, eingebürgert zu werden. Nachdem wir außerhalb von Oulu gecampt hatten, versuchten wir weiter zu trampen, und diesmal wurden wir von einem marokkanisch-finnischen Mann, der gerade einen kleinen Lastwagen gekauft hatte, fast bis nach Turku gebracht. Wir hatten eine großartige Zeit, über sein und unser Leben zu sprechen, und es macht mich wirklich glücklich, diese erfolgreichen Einwanderungsgeschichten zu sehen, von denen man nie in den Nachrichten hört.

Den Sommer genießen

Wir überraschten meinen Freund Jani ein wenig mit einer Nachricht, dass wir heute Abend kommen würden, und radelten die restlichen 40 km zu seiner Wohnung. Es war schön ihn wieder zu sehen und wir freuten uns auf eine Woche Erholung und Bootsfahrten. Die Hitzewelle setzte sich natürlich fort und die meiste Zeit in seiner Wohnung waren wir ein verschwitztes Durcheinander, also war es absolut perfekt, mit seinem Vater auf dem Boot zu sein. Wir navigierten durch verschiedene kleine Inseln und legten an einigen von ihnen an. Häufig schwammen wir und grillten am Abend. Unser ursprünglicher Plan wäre gewesen, kurz danach zu fahren, aber Jani überzeugte uns, noch ein paar Tage für ein bevorstehendes Eishockeyspiel zu bleiben. Es hat Spaß gemacht, zuzuschauen, aber danach mussten wir unbedingt die Fähre nach Schweden ansteuern: Wir hatten noch 700 km zu radeln, und nur 10 Tage zeit dafür!

Wir hatten eine sehr schöne Überquerung der Ostsee auf der Viking Line Fähre, die ähnlich war mit einem kleinen Kreuzfahrtschiff. Nach einer Nacht mit einem Warmshowers-Gastgeber begann das „Rennen durch Schweden“ von Stockholm aus, wo wir kaum Zeit für Sightseeing hatten und unser Ziel war der südliche Hafen in Trelleborg. Für mich fühlte es sich an, als wären wir zurück in der Zeit, in der wir aufgrund von Visa-Fristen durch die Länder eilten. Yuily verfluchte meinen Bruder sehr dafür, dass er diesen Sommer heiraten wird. Aber wir haben die Arbeit gemacht und den größten Teil der Strecke trotz Gegenwind auf den lokalen Straßen gefahren, die parallel zur Autobahn E4 verlaufen. Eine Schande, da wir viele Attraktionen des Landes verpasst haben und die ausgezeichneten Radwege wirklich genossen haben, aber schließlich haben wir es nicht bereut, so lange in Turku zu ruhen. Was wir uns zweimal zu Gemüte führten, waren Teller mit Fleischbällchen in IKEA, die nur 2,80 € kosteten.

Es war immerhin ganz ok und wir schafften sogar noch einen Ruhetag, als es regnete und ruhten uns einen halben Tag in Trelleborg vor dem Einsteigen in die Fähre aus. Es war günstig, um 17 €, und wir mussten keine Kabine buchen, da diese Fähre viel mehr für Lastwagenfahrer existierte und wir gequetscht in dem kleinen Gemeinschaftsraum unsere Schlafsäcke ausrollten. Nach kurzem Schlaf waren wir schon in Rostock und damit zurück in Deutschland. Vom Hafen radelten wir 15 km zum Bahnhof und fuhren in einer langen Zugfahrt nach Hause, die kurz vor Mitternacht endete. Züge in Deutschland sind normalerweise ziemlich teuer, aber das kostet uns nur 32 € pro Person und Fahrrad, da wir Quer-Durchs-Land-Tickets benutzt haben. Der Nachteil war, dass wir nur lokale Züge benutzen konnten, was bedeutete, dass wir 6 Mal umsteigen mussten.

Arbeiten fürs Leben

Mein Bruder hatte eine sehr gute Hochzeit, nach der wir uns den Realitäten des Lebens stellten. Wir möchten unsere Reise fortsetzen, aber nach mehr als zwei Jahren auf der Straße sind unsere Ersparnisse dünner geworden. Aber auf diese Weise war die Hochzeit meines Bruders eine Gelegenheit: Die Ernte begann, und die Weinberge hatten wegen des heißen Sommers eine außergewöhnlich produktive Saison. Also fuhr ich fort, die Winzer anzurufen. Es brauchte ein paar Versuche, aber schließlich gelang es uns, zwei Wochen Arbeit bei einem Winzer im nahe gelegenen Luxemburg zu finden. Wir hatten eine gute Zeit, obwohl die Arbeit sehr anstrengend war. Es half, dass wir in der Bauerngarage campen konnten, um die Kosten für Unterkunft zu vermeiden, und sie gaben uns oft Reste von dem inbegriffenen Mittagessen, so dass wir in dieser Zeit sehr wenig Geld ausgaben. Es füllte die Lücke, die wir in unseren Budgets hatten, und damit wurden unsere Pläne für das nächste Abenteuer Wirklichkeit.

Wir wussten beide, dass wir als nächstes nach Afrika gehen wollen. Aber aus verschiedenen Gründen ist es nicht so einfach eine Radtour dort zu planen. Erstens scheinen Marokko und Mauretanien im Westen oder Ägypten und der Sudan im Osten die einzig gangbaren Wege zu bieten, die Sahara zu durchqueren. Die westafrikanische Route wäre eine Herausforderung mit vielen kleinen, sehr armen Ländern und schwierigen und teuren Visa. Dieses Mal nicht. Ostafrika weist andere Probleme auf. Ägypten hat große Angst, die Radtouristen alleine durchstreifen zu lassen und zwingt sie zu Militäreskorten und teuren Hotels in vielen Gegenden. Der Sudan, obwohl ein Land mit sehr gastfreundlichen Menschen, ist selbst im Winter heiß. Und als nächstes wäre Äthiopien. Wie ich es von jedem Radfahrer hörte, der dort war, ohne Ausnahmen, Hölle pur für das Radfahren. Dort spotten, schreien und betteln die Menschen endlos und aggressiv, werfen Steine, schlagen Radfahrer mit Stöcken, spucken sie an und versuchen sie zu schlagen. Niemand weiß wirklich warum, aber es hat mich überzeugt, dass ich keinen Fuß in dieses Land setzen will. Schade, denn es scheint auch einige der schönsten Landschaften und das beste Essen in Afrika zu haben.

Eine andere Komplikation war, dass es derzeit unmöglich ist, ohne Flug von Europa nach Ägypten zu kommen. Fähren aus Griechenland wurden gestrichen und die Bürgerkriege in Libyen, Syrien und im Irak blockieren jegliche Überlandstrecken. Da wir sowieso fliegen müssten, war es sinnvoll nach einem Flug nach Kenia zu suchen. Von dort schien der Weg nach Süden relativ unproblematisch. Am Anfang fand ich einige günstige Flüge von Madrid nach Nairobi, Kenias Hauptstadt, mit Royal Air Maroc, was uns auch die Chance geben würde, mehr von Südeuropa zu erkunden. Aber ihre Gebühren für Fahrräder im Kleingedruckten lagen zwischen 200 und 300 Euro, unverhältnismäßig hoch. Als ich die Flüge nach Mombasa, der zweitgrößten Stadt Kenias, überprüfte, stellte ich fest, dass die Billigfluggesellschaft TUIfly einen Flug von Brüssel aus hat. Es würde bedeuten, dass wir doch nicht nach Spanien radeln, aber bei 220 Euro für den Flug inklusive der Räder konnten wir diese Gelegenheit nicht verpassen.

Am 23. November fliegen wir nach Mombasa, Kenia, und versuchen, nach Südafrika zu fahren. Ich liebe es, wenn ein Plan zusammenkommt und wie bei unserer Nordeuropa-Tour freuen wir uns auf dieses Afrika-Abenteuer!

Weiter: Kenia

Zurück: Nordwärts Teil 2



Comments